Werden Hautkrankheiten bald mit Spinnenseide geheilt?

Dass Spinnenproteine therapeutische Wirkung entfalten können, ist schon lange bekannt. Nun steht die künstliche Herstellung vor dem Durchbruch – und verspricht neue Heilverfahren.

Es klingt nach Science-Fiction, könnte jedoch schon in absehbarer Zeit Realität werden: Um erkrankte Hautstellen zu heilen, wird quasi ein künstliches Spinnennetz darüber gespannt. Eine schwedische Biotech-Firma hat nun die Grundlage dafür geschaffen, diese Vision umzusetzen, indem sie ein Verfahren zur Herstellung sogenannter Spirdroin-Proteine entwickelt hat. Diese entsprechen weitgehend den Proteinen in Spinnenseide, denn sie werden aus Spinnen-Gensequenzen geklont und dann aus E.Coli-Bakterien herangezüchtet. Am Ende der Produktion kommt dann noch ein von GE entwickeltes Proteinreinigungsverfahren zum Einsatz.

Das „Melken“ von Spinnen, wie es bislang zur Gewinnung des wertvollen Stoffs betrieben werden musste, entfällt damit – und damit der wichtigste Grund, der bisher dem breiten medizinischen Einsatz der Spinnenproteine im Wege stand. Spinnen zu halten ist nämlich aufwendig und teuer, da die Tiere schnell zu Kannibalen werden, und so konnten in der Vergangenheit nur vereinzelte Versuche mit echter Spinnenseide ausgestattet werden.

Mit der schwedischen Innovation geht ein lange gehegter Traum in Erfüllung. Bereits die Griechen und Römer verbanden ihren Soldaten die Wunden mit Spinnweben, weil deren heilsamer Effekt bekannt war. „Heute ist es wissenschaftlich belegt, dass die Proteine antibakteriell wirken und das Hautzellenwachstum anregen“, erklärt Dr. Sybille Thoma-Uszynski, Hautärztin in Berlin-Mitte. Im gesamten Körper können sie eingesetzt werden. So gibt es an der Medizinischen Hochschule Hannover vielversprechende Versuche, zerstörte Nerven mithilfe von Spinnenseide zu reparieren. Auch bei der Wiederherstellung von Knochengewebe leisten die Proteine wertvolle Unterstützung. Auf dermatologischem Gebiet wurde kürzlich eine Neurodermitis-Salbe auf Spinnenseidebasis entwickelt, deren antibakterielle Wirkung die Haut vor Pilzen und Keimen schützt. Die Spinnenproteine punkten nicht zuletzt auch damit, dass sie 100-prozentig körperverträglich sind sowie nach und nach restlos abgebaut werden.

Viele Menschen dürften also in Zukunft ihr Verhältnis zu Spinnen noch einmal überdenken; die Tiere mögen im heimischen Badezimmer nicht gern gesehen sein, doch sie liefern den Grundstoff für viele segensreiche medizinische Anwendungen der Zukunft.